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Rechts von Lucke

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Die Berichterstattung von aktuellen Ereignissen bietet auch immer ein Risiko. Zumindest für Journalisten. Denn die Kamera-Aufläufe führen mitunter dazu, dass man abends im Fernsehen auftaucht – als Beiwerk.

Am Wochenende hat es mich mal wieder erwischt: Bernd Lucke, Gründer der Alternative für Deutschland (AfD), war gerade einmal ein paar Minuten abgewählt, als er die Bühne verließ, und mir direkt in die Arme lief. Das war natürlich ein Glücksfall, aber blitzschnell bildete sich eine Journalisten-Traube um den geschlagenen VWL-Professor – und damit auch um mich. Mikrofone reckten sich Lucke entgegen, die Kameras hielten drauf. Es war heiß, stickig, eng. Und ein Frage-Marathon begann.

„Haben Sie die Partei verloren?“ – „Ja.“

„Wie fühlen Sie sich?“ – „Enttäuscht.“

„Wie sieht Ihre berufliche Zukunft aus?“ – „…“

„Bleiben Sie in der Partei?“ „…“

Minutenlang musste Lucke Fragen beantworten. Er trug in der einen Hand seinen Rucksack, in der anderen ein Frikadellen-Brötchen. Und während Lucke geduldig Frage um Frage beantwortete (manche auch zum zweiten oder dritten Mal), ahnte ich schon, was auf mich zukommen würde: Denn im Laufe des Gesprächs hatte sich Lucke immer mehr (welch Ironie!?) nach rechts gewandt. Das führte dazu, dass ich auf einmal neben ihm stand – und die Kameras vor uns. Meine Vorahnung sollte sich noch auf der Rückreise bestätigen:

 „Haha, da kann man stundenlang Radio machen. Aber erst n paar Sekunden Tagesschau sind der Arbeitsnachweis. Gruß nach #Essen“

Das schrieb die geschätzte Kollegin Nadine Lindner aus Sachsen bei Twitter.

Den ganzen Abend über folgten SMS- und Whats-App-Nachrichten, nachdem Luckes Auftritt (mit mir als Beiwerk) nicht nur in der „Tagesschau“, sondern auch in den „Tagesthemen“ lief. Und als ich am zweiten Tag des AfD-Parteitages wieder in Essen ankam, begrüßte mich der WDR-Hörfunk-Kollege mit „Hab mir gestern noch einmal Deinen Auftritt angesehen.“ Er kennt die Abläufe schon lange, seine Fazit: TV schlägt Radio – zumindest, was die Resonanz angeht.

Denn das „Beiwerk“-Phänomen ist für Journalisten durchaus Alltag (und sicherlich vielen Kollegen bekannt). Entweder wirklich direkt bei Interviews, aber auch als Schnittbilder bei Pressekonferenz. Während in manchen Beiträgen Politiker meist Gänge lang gehen oder Bücher aus dem Regal nehmen, um anschließend interessiert darin zu blättern, um dann ein Interview zu geben, bestehen die Schnittbilder in anderen Beiträgen aus einem Kamera-Schwenk über Kolleginnen und Kollegen, die im Raum der Pressekonferenz sitzen. Oder aus einzelnen Szenen (wie beispielsweise das Schreiben in einen Block), die als Momentaufnahme eingefangen und dann prominent ausgestrahlt werden.

Nun also Essen, Lucke und die AfD. Doch zum Glück blieb mein Auftritt neben Lucke nicht das Einzige, was mir Resonanz eintrug. Denn: Auch für den Beitrag „Die AfD nach dem Parteitag: Weiter nach rechts gerückt“, den ich zusammen mit einer Kollegin gemacht hatte, gab es Resonanz. Und das war dann doch tröstend.


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